Anthony Rother Interview
Anthony Rother ist ein einflussreicher Visionär, ein Elektro-Pionier und einer der produktivsten Produzenten der elektronischen Musik.
In mehr als zwei Jahrzehnten hat Rother einen umfangreichen musikalischen Kanon zusammengetragen, der seine einzigartige Karriere als Klangforscher widerspiegelt, der die Ästhetik weit über die Grenzen von Elektro, Techno und Popmusik hinaus erforscht.
Für Waldorf Music hat er sich an sein Iridium Keyboard gesetzt und exklusiv 64 Signature-Sounds entwickelt, die die Palette an Möglichkeiten der Sound-Engines zeigt, die wir allen Iridium- und Quantum Besitzern kostenfrei zur Verfügung stellen.
Wie hast Du angefangen Musik zu machen?
Ich hatte schon als kleiner Junge den starken Wunsch, Musiker zu werden. Im Alter von 11 Jahren hatte ich mit einem Schulkameraden meinen Kassettenrecorder gegen seinen Casio VL-1 Synthesizer-Taschenrechner getauscht. Auf diesem Casio-Synth zu spielen war für mich der entscheidende Moment, wo ich mich ins Musikmachen verliebt habe. Die Faszination und Passion für Synthesizer hält bis heute an.
Was war Dein erster Synthie?
Mein erster echter Synthesizer war ein Roland JD-800. Ich besitze und nutze den JD-800 auch heute noch in meinen Produktionen. Davor hatte ich bereits den Sampler AKAI S612, dann einen Ensoniq EPS 16 Plus und darauf folgend den Ensoniq ASR-10. Meinen ASR-10 nutze ich auch heute noch im Studio. Nach jahrelangem Multisampling war ich aber sehr froh, mit dem JD-800 endlich einen echten Synthesizer zu besitzen.
Was machst Du als erstes, wenn Du vor einem neuen Synthie stehst?
Als erstes wähle ich einen Init-Patch aus, um eigene Sounds zu programmieren und dabei intuitiv den Synthesizer kennenzulernen. Als nächstes gilt es herauszufinden, wie das Speichern von Sounds funktioniert. Danach kommt der theoretische Teil, das Studieren vom Handbuch. Dabei bin ich zusätzlich mit einem klassischen Textmarker bewaffnet.
Dann erstelle ich noch eine Textdatei auf meinem Studiorechner und mache dort immer wieder Notizen zu dem Synthesizer.
Was inspiriert Dich zu Deiner Musik?
Meine Quelle der Inspiration ist das Leben, sowohl mein eigenes als auch das, was um mich herum geschieht – sei es auf politischer oder zwischenmenschlicher Ebene. In meinen Werken stehen immer Menschen im Mittelpunkt, und der Futurismus ist dabei ein stilistisches Mittel. Ich nutze die Maschine als Metapher für menschliche Probleme und beschreibe gerne grundlegende Gefühle. Meine Geschichten handeln von Maschinen, die mit Begriffen aus der digitalen Technik erzählt werden und dabei als Synonyme für menschliche Emotionen dienen. So entstehen futuristische Bilder, die schwer zu beschreibende Gefühle veranschaulichen.
Was ist Dein liebstes Teil in Deinem Studio auf das Du nicht verzichten möchtest, welches nicht ein Synthie ist?
Es ist mein geliebtes Mischpult, ein AVID Venue SC-48 Digitalpult. Bevor ich meine Tracks in der DAW arrangiere, erstelle ich in einem Jam mehrere Demo-Versionen. Oft ist so ein Jam auch schon der fertige Track. Mein Mischpult ist für mich wie ein Instrument. Ich spiele auf meinem Mischpult das Arrangement des Songs und mache dazu auch live Effekte. Das ist für mich schneller und intuitiver als in einer DAW Blöcke zu verschieben.
Presets oder selber Schrauben?
Selber Schrauben. Denn der Weg ist das Ziel.
Wie ist Dein Produktionsprozess: In-the-box oder live eingespielt?
Ich produziere mit Hardware. Mischpult, Synthesizer, Drumcomputer, Modularsysteme, Vocoder und Effektgeräte. Alles als Hardware. Alles immer im direkten Zugriff und in Echtzeit. Im Computer bzw. in der DAW nehme ich MIDI- und Audiospuren auf. Die Audioaufnahmen bearbeite ich dann im Computer mit Plug-ins oder mit den Effekten in meinem Mischpult. Mein AVID-Mischpult hat eine große Anzahl an Protools-TDM-Plug-ins installiert, von diversen Herstellern wie Eventide, T.C. Electronics bis Wave ist alles dabei.
Zu welcher Tageszeit trifft man Dich am ehesten im Studio an?
Bereits vor vielen Jahren habe ich meine Studio-Nachtsessions auf einen ganz normalen Nine-to-Five-Tagesbetrieb umgestellt. Nur wenn ich in einem sehr intensiven kreativen Prozess bin und deshalb nicht anders kann, produziere ich auch bis spät in die Nacht. Das passiert meistens direkt am Anfang, wenn ich einen neuen Track komponiere. Die Kreativität kennt keine festen Arbeitszeiten, da muss man sich mit voller Hingabe unterordnen.
Welche Rolle spielen Waldorf Synthesizer in Deiner Musik?
Ich nutze schon seit den 1990er Jahren Waldorf-Synthesizer. Mein erster eigener Waldorf-Synthesizer war der Q in der limitierten Dark Edition, die an das Design vom WAVE angelehnt war. Im Jahr 1999 bekam ich den Q-Synthesizer als Vorserienmodell direkt von Waldorf. Das war einige Zeit bevor der Synth im Handel erhältlich war. Während der ersten Jahre vom VST-Plug-In-Hype habe ich Attack, PPG Wave und Largo genutzt. Mein Freund und Vintage-Experte Marco S. hat mir im Jahr 2006 glücklicherweise einen Waldorf WAVE organisiert, den ich bis heute intensiv einsetze. Ich besitze seit 2015 auch einen Microwave XTK. Im Jahr 2018 kam dann der Traumsynthesizer Quantum dazu. 2021 wurde ich als Beta-Tester für den Waldorf M eingeladen, für den ich über 100 Werksounds programmiert habe. Im Jahr 2022 beschloss ich, als meinen Grundsound nur noch die Quantum / Iridium Familie einzusetzen, um dadurch diese Synthesizer bis in kleinste Teil zu erforschen. Seitdem arbeite ich intensiv mit einem Quantum, einem Iridium-Keyboard und einem Iridium-Desktop-Synthesizer.